München 72
- Publisher: Projekt München 72
- Veröffentlichungsjahr: 2022
- Plattform: Windows, VR-Brillen
- Geeignet für: Ab Klasse 8
- Fachbezug: Geschichte, Gemeinschaftskunde, Politik
“The games must go on!”
Der IOC-Präsident verkündete 1972 mit diesen Worten die Fortführung der Olympischen Sommerspiele in München. Zuvor waren palästinensische Terroristen in das olympische Dorf eingedrungen und hatten elf israelische Sportler, Trainer und Funktionäre als Geiseln genommen. Die Geiselnahme endete nach missglückten Befreiungsaktionen schließlich in einer Tragödie, bei der alle Geiseln und ein Polizist getötet wurden.
Zum 50. Jahrestag der Spiele entwickelte der Bayrische Rundfunk die VR-Anwendung München 72, um die Eindrücke, Geschehnisse und Opfer der Spiele kommenden Generationen zugänglich zu machen. Um sich diesem Ereignis anzunähren, werden die Spieler*innen auf einen virtuellen Gang durch ein kunstvoll hergerichtetes „Freilichtmuseum“ eingeladen, das in Farbgestaltung und Architektur der charakteristischen Optik der Olympischen Spiele in München nachempfunden ist. Spielende können sich anhand des Aufbaus der digitalen Umgebungen, wie dem Münchner Olympiastadion oder dem Fernsehturm, einen Eindruck von der Atmosphäre der 20. Sommerspiele, den Rahmenbedingungen der Geiselnahme sowie den chaotischen Zuständen während der Befreiungsaktionen verschaffen. In themenspezifisch unterteilten Räumen können anhand von Infotafeln und kuratierten Quellen (z.B. Interviews, Radioaufnahmen, TV-Berichterstattungen) die jeweiligen Themenfelder erschlossen werden. Daran anschließend können Spielende erörtern, weshalb der öffentliche Umgang mit den tragischen Ereignissen bis heute kritisiert wird. Dabei drängen sich etwa die Fragen auf: Mussten die Spiele wirklich fortgesetzt werden? Weshalb dauerte es 45 Jahre bis zu einer öffentlichen Entschuldigung durch den Staat gegenüber den Familien der Opfer? Was unternimmt der Staat heute zur Sicherung von Großevents bzw. jüdischen Lebens in Deutschland?
München 72 ist ein virtuelles Freilichtmuseum und eignet sich. aufgrund seiner Darstellung und Aufbereitung der Tragödie der 20. Olympischen Sommerspiele besonders gut für den Einsatz im Geschichts-, Politik- und Gemeinschaftskundeunterricht ab der 8. Klasse. Hierzu nutzen die Spielenden die Anwendung VRChat und betreten, ohne das Klassenzimmer zu verlassen, via PC oder VR-Brille die Umgebung „Munich72“. Das virtuelle Museum ist in vier Räume aufgeteilt, wovon jeder ca. 10 min Bearbeitungszeit benötigt. Durch die Unterteilung ist auch eine individuelle Themenauswahl möglich. Der Wechsel zwischen den Hauptwelten ist dabei per Teleportfeld am Ende der Welten möglich, weshalb das gezielte Ansteuern einzelner Themenfelder etwas Zeit zum Durchqueren der Räume benötigt.
Für das Fach Geschichte bietet die Rolle der noch jungen antisemitisch geprägten Vergangenheit Deutschlands bei der Austragung der Olympischen Spiele zu betrachten. Durch Interviews in Video- und Audioform werden den Spielenden die Perspektiven von israelischen Sportler*innen und nähergebracht, Was motivierte sie zur Anreise in die BRD, auch wenn mitunter Familienangehörige der Shoa zum Opfer gefallen waren? Wurden in der BRD spezifische Schutzmaßnahmen für israelische Teilnehmende eingerichtet? Und warum wurde erst 45 Jahre nach der Tragödie eine ihr gewidmete Gedenkstätte eingeweiht?
Ein weiterer Anknüpfungspunkt für den Geschichtsunterricht ist die Bedeutung der Olympischen Spiele im Kontext des Kalten Krieges. Diese kann etwa anhand des Medaillenspiegels oder den im Spiel präsentierte Interviews mit . Wie reagierten sie gegenüber der Presse des jeweiligen Nachbarstaats? Wie äußerten sich DDR-Sportler*innen über die Lebensumstände in München? Mussten sie mit Überwachung durch die Behörden rechnen?
Im Politikunterricht dienen die Olympischen Spiele 1972 als Beispiel für hinreichende oder mangelnde politische Maßnahmen gegen ismus: Es kann anhand der Inhalte des Spiels erörtert werden, welche Umstände zu der Geiselnahme führten und wie der deutsche Staat bei den Olympischen Spielen in München bei der Terrorabwehr scheiterte. Geeignete Impulse dazu geben Aufnahmen der Ereignisse während der Spiele und Zeugenaussagen, die 1972 live im Fernsehen übertragen wurden. Ebenso kann die Fortsetzung der Spiele kritisch hinterfragt und reflektiert werden. Wann sollten Sportereignisse abgesagt werden? Erreicht Terrorismus sein Ziel, wenn wir uns als Reaktion darauf einschränken und kann daher die Fortsetzung der Münchener Spiele als ein Zeichen des Zusammenhalts entgegen den Zielen der Terroristen verstanden werden?
Darüber hinaus bietet sich als Exkurs die gemeinsame Reflexion von Nachhaltigkeitsaspekten großer Sportveranstaltungen an, da die damaligen Bauten – ähnlich wie Stadien bei heutigen Großveranstaltungen – zur weiteren Nutzung durch die jeweiligen Austragungsorte angelegt wurden: Wie werden die Gebäude beispielsweise heute genutzt? Wann können Olympische Spiele als nachhaltig gelten? Und inwiefern unterscheidet sich die Vergabe vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeitskriterien heute und damals?