Gris
- Publisher: Nomada Studio
- Veröffentlichungsjahr: 2018
- Plattform: Windows, macOS, iOS, Android, Switch, PlayStation, XBox
- Altersfreigabe: USK 6
- Geeignet für: Ab Klasse 9
- Fachbezug: Kunst, Literaturunterricht
es.: gris [gris], adj. Als die junge Frau Gris ihre Halt spendende Mutter und damit auch ihre Stimme verliert, weicht jegliche Farbe aus ihrer verletzlichen Welt. Mit hängendem Kopf rafft sie sich auf und macht mühevoll einen Schritt nach dem anderen… nach vorn… hinein ins Ungewisse. Für Gris beginnt ein langer und beschwerlicher Weg, der für sie Wanderung, Selbstfindung und Trauerbewältigung zugleich darstellt. Spielende begleiten und unterstützen sie auf ihrer Reise durch malerische Landschaften, dunkle Gewässer und mysteriöse Täler. Sie sammeln in der Rolle von Gris gefallene Sterne, füttern geheimnisvolle Waldwesen und müssen wieder und wieder beschwerliche Auf- und Abstiege auf sich nehmen, bei denen oft nichts so ist, wie es scheint. |
Gris lässt sich mit seiner minimalistischen Narration und seinem simplen, rätselbetonten Spielprinzip als interaktives Kunstwerk charakterisieren. In erster Linie eignet es sich für die Behandlung im Kunstunterricht ab der höheren Mittelstufe; möglich ist auch eine Besprechung im Literaturunterricht der hohen Sekundarstufe I und II.
Der künstlerische Stil von Gris fällt sofort ins Auge und kann im Kunstunterricht zur Thematisierung unterschiedlicher gestalterischer und methodischer Aspekte der Bildenden Kunst herangezogen werden. Feine Linien formen die von der Protagonistin bereisten Landschaften, Gebäude, Figuren oder Pflanzen, die unterschiedliche Maltechniken kombinieren, so wie Aquarell, Schraffur oder auch digitale Malerei, die etwa Transparenzeffekte ermöglicht. Die unterschiedlichen Techniken können auf ihre Wirkung im Kontext des Gesamtbildes analysiert werden: Warum eignet sich z. B. Aquarell gut für die Ausschmückung der Baumkronen, während Schraffuren auf dem Waldboden eingesetzt werden?
Die Farbgestaltung des Spiels erfüllt eine wichtige Rolle für dessen Narration und kann daher ebenfalls Gegenstand künstlerisch-gestalterischer Reflexionsprozesse sein. Aufgrund des bewusst eingesetzten Kontrasts der Anfangssequenz des Spiels und der darauffolgenden Reise durch eine graue Welt, die sich erst nach und nach wieder mit Farben füllt, kann gemeinsam mit den Lernenden ergründet werden, welche affektiven Assoziationen die unterschiedliche Farbgestaltung der Spielabschnitte in den Betrachter*innen hervorruft. Wie wirkt es auf uns, wenn die Welt von Gris statt bunter Farben nur noch Grauschattierungen enthält? Wie verändert sich die Atmosphäre des Spiels als interaktivem Kunstwerk, wenn zunächst die Farbe Rot, dann Grün, danach Blau und schließlich Gelb wieder in sie Einzug halten?
Weiterhin bietet Gris zahlreiche Anregungen für die kreative Gestaltung eigener Szenen, die Mut zur freien Interpretation etablierter Konzepte vermitteln können. Bäume haben hier quadratische Kronen, ein schwarzer Vogel materialisiert sich aus einer flüssig wirkenden Wolke, rötliche Schmetterlingsschwärme tragen die junge Gris hoch in die Lüfte. Die Botschaft für das eigene künstlerische Schaffen ist klar: Auf Papier und Bildschirm, mit Farbe, Pinsel, Stift oder Zeichentablet, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Für die Besprechung im Literaturunterricht eignet sich Gris durch seine vielfältig metaphorisch aufgeladene Geschichte. Durch die Rezeption der insgesamt etwa drei bis vier Stunden dauernden Spielnarration werden auch Kompetenzen des Handlungs- und Figurenverstehens gefordert, in erster Linie wird jedoch das Metaphern- und Symbolverstehen auf hohem Sekundarstufenniveau geschult. Das Zusammenbrechen einer großen Statue und das Weichen der Farbe aus Gris‘ Welt zu Beginn des Spiels kann bildlich als Beginn der tiefen Trauer um ihre verstorbene Mutter interpretiert werden, diese Bedeutung bleibt jedoch bis zum Spielende implizit. Die fünf Level des Spiels können darauffolgend mit den Schüler*innen als Visualisierung der aufeinanderfolgenden Phasen der Trauer nach Kübler-Ross (On Death and Dying, 1969) interpretiert werden. Diese werden stets durch eine entsprechende sich ausbreitende Farbe symbolisiert: Grau für Leugnung, Rot für Ärger, Grün für Feilschen, Blau für Depression und Gelb für Akzeptanz. Auch weitere gestalterische Elemente unterstützen diesen interpretativen Ansatz, so etwa Unterwasser-Passagen im Level mit blauer Farbe als Zeichen für das Vergießen von Tränen und das Gefühl des Ertrinkens, das manche Trauernde subjektiv erleben, oder das Füttern eines kleinen Waldwesens als Ausdruck des Feilschens, das letztendlich ohne Gegenleistung bleibt. Um den Zugang zu diesem Symbol- und Metaphernsystem des Spiels zu erleichtern, empfiehlt sich je nach Lerngruppe die Arbeit mit Rechercheaufträgen oder durch die Lehrkraft bereitgestelltem Zusatzmaterial rund um Trauer und ihre Verarbeitung in literarischen Gegenständen.
Das Spiel kann dank seiner Verfügbarkeit auf zahlreichen Plattformen inklusive Mobilgeräten niedrigschwellig von den Schüler*innen eigenständig (ggf. unter Zuhilfenahme eines Guides) gespielt werden. Da die vollständigen Spielabschnitte mit ihrem rätselbetonten Gameplay nur eingeschränkte narrative Funktion erfüllen, kann alternativ zu einem vollständigen Spieldurchlauf erwogen werden, die entscheidenden Stellen des Spiels stattdessen per vorbereiteter Aufzeichnung in den Unterricht zu integrieren und ohne die dazwischenliegenden Spielabschnitte zu behandeln.