Before Your Eyes
- Publisher: Goodbye World Games
- Veröffentlichungsjahr: 2021
- Plattform: PS5, PSVR2, Android, Windows, Linux, MacOS, iOS, Netflix
- Altersfreigabe: USK 12
- Geeignet für: Ab Klasse 9
- Fachbezug: Ethik, Englisch, Religion
Wenn ein Mensch stirbt, wartet auf ihn die Fähre, die ihn ins Jenseits bringt. Ihr Fährmann ist ein wilder Hund mit sanftem Blick, der Fischerkleidung trägt und gern Geschichten erzählt. Auf seinem Kahn bringt er die Seelen über ein Meer voll glitzernder Augen zu einem finsteren Leuchtturm. Dort wartet die Wächterin des Jenseits, die für die Anwärter*innen einen Platz in ihrer fantastischen Stadt bereithält. Eine Chance darauf hat aber nur, wer eine gute Lebensgeschichte hat, die der Hund ihr erzählen kann. In Before Your Eyes ist dieses Mal der kleine Benny an Bord und zeigt dem Hund seine Geschichte. Mit jedem Blinzeln springt er einen Moment nach vorn in seinen wichtigsten Erinnerungen: Als Baby blickt er beim ersten Strandbesuch in den Himmel. Ein kurzer Augenblick, dann setzt ihn seine Mutter als Kleinkind an das Spielzeug-Klavier. Sie selbst ist eine anspruchsvolle, aber erfolglose Komponistin. Benny blinzelt, und ein paar Jahre später lädt ihn das Nachbarsmädchen Chloe zum Sternegucken ein. Dabei soll er sich doch als Nachwuchstalent auf die schwierige Aufnahmeprüfung der Musikschule vorbereiten. Eines Tages wird Benny krank, scheinbar aus dem Nichts. Dem wilden Hund erzählt er, er habe ein Jahr im Bett gelegen, viel gemalt und sei dann wieder gesund geworden. Als erfolgreicher Künstler sei er viele Jahre später gestorben, von der Welt gefeiert. Doch daran kann etwas nicht stimmen – denn Benny ist erst elf Jahre alt. In Before Your Eyes erleben die Spieler*innen Bennys Lebensgeschichte aus der Ich-Perspektive. Mit jedem Blinzeln, das die Kamera ihres Endgeräts per innovativer Eye-Tracking-Einbindung erkennt – oder per Mausklick springen sie zur nächsten Szene und entscheiden manchmal auch über ihren Ausgang. Sie rekonstruieren so Bennys Erinnerungen und erfahren nach und nach, was er erlebt hat – und was davon wirklich geschehen ist. Als Junge, der viel zu früh gehen musste, steht er schließlich vor der Wächterin des Jenseits. |
Before Your Eyes eignet sich aufgrund seiner sensiblen Behandlung des Themas Endlichkeit insbesondere für den Ethik- und Religionsunterricht ab Klasse 9. Die eindrückliche Geschichte des jungen Benny, der nach seinem frühen Tod seine Lebenserfahrungen Revue passieren lässt, bietet aufgrund ihrer innovativen Erzählweise in englischer Sprachausgabe zudem großes Potenzial für den Englischunterricht.
Im Ethik- und Religionsunterricht können vielfältige Anknüpfungspunkte gefunden werden, um das schwierige Thema Umgang mit dem Tod altersgerecht zu reflektieren. So fährt in Before Your Eyes ein Hund als Fährmann die Seelen der Verstorbenen über ein Meer, damit sie in einem Leuchtturm der Wächterin ihre Lebensgeschichte präsentieren und sie um einen Platz im Jenseits bitten können. Die Wächterin sieht dabei für jede Seele anders aus. Mit den Schüler*innen kann darüber gesprochen werden, welche Jenseitsvorstellungen sie kennen, welche davon sie womöglich selbst teilen – und dass diese, wie die Wächterin der Geschichte, für jeden anders aussehen können. So lässt sich in behutsamen Gesprächen die grundsätzliche Frage verhandeln, ob und inwiefern die Schüler*innen an ein Leben nach dem Tod glauben. Hierfür können religiöse Überzeugungen und Individualvorstellungen respektvoll erkundet werden: Ist nach dem Tod alles vorbei? Wenn nicht: Wie könnte das Jenseits aussehen? Glaube ich an ein Paradies, eine Hölle – oder vielleicht an Reinkarnation? Spielen Spiritualität und Religion für mein Leben eine Rolle?
Hieran anknüpfend kann mit den Schüler*innen auch über religiöse und kulturspezifische Vorstellungen zum Übergang ins Jenseits gesprochen werden. In den Fokus rücken kann dabei auch das Motiv des Totengerichts, das über das Schicksal Verstorbener auf Grundlage glaubensbezogener oder moralischer Fragen urteilt – so wie die Wächterin über die Lebensgeschichten. Hierfür können Vorstellungen christlicher, jüdischer und islamischer Tradition herangezogen und miteinander verglichen werden; auch altägyptische Vorstellungen bieten sich an. Auf einer übergeordneten Ebene lässt sich mit den Schüler*innen zudem reflektieren, inwiefern derartige Vorstellungen früher wie heute Gottesfürchtigkeit begründen, Trost spenden oder Hoffnung auf jenseitige Gerechtigkeit geben können. Vielversprechend ist auch ein Blick auf das Motiv des Fährmanns als Begleiter der Toten auf ihrer Reise, wozu insbesondere Erzählungen der ägyptischen und griechischen Mythologie herangezogen werden können.
Neben der Reflexion von Glaubensvorstellungen bietet Before Your Eyes auch hinsichtlich seiner Erzählweise besonderes Potenzial. Im englischsprachigen Literaturunterricht lohnt eine Auseinandersetzung mit der komplexen Handlung. Diese ist durch die Perspektive des unzuverlässigen Erzählers Benny geprägt, durch dessen Augen die Spieler*innen das Geschehen szenenweise und weitgehend unkommentiert nacherleben. Sukzessive können die Schüler*innen auf Ebene des Handlungsverstehens zunächst die Lebensgeschichte nachvollziehen, die Benny dem Fährmann gern weismachen möchte: Als musikalisches Nachwuchstalent wird er von seiner Mutter am Klavier gefördert, später erkrankt er und liegt im Bett. Dann entdeckt er seine eigentliche Passion zu malen, wird wieder gesund und ein erfolgreicher Künstler. Doch der Fährmann bemerkt Bennys Schwindel – und so muss er die Hinzudichtungen weglassen und auch die verdrängten, schmerzvollen Momente noch einmal durchleben. Um diese Wendung aufzuarbeiten, bieten sich handlungs- und produktionsorientierte Verfahren wie die Verschriftlichung von Bennys Gedanken in verschiedenen Szenen als innere Monologe an. Auch die Erarbeitung von zwei Zeitstrahlen ist denkbar, die einmal Bennys ausgedachtes, einmal sein tatsächliches Leben in mehreren Abschnitten abbilden. In der Auseinandersetzung mit der Erzählinstanz kann der Begriff der unreliable narration eingeführt werden, zugleich können die verschiedenen Erzählebenen der Rahmen- und Binnenhandlung vergegenwärtigt werden.
In einem weiteren Schritt lohnt es, mit den Schüler*innen auf Ebene des Figurenverstehens darüber nachzudenken, warum sich Benny einen Teil seiner Lebensgeschichte ausgedacht haben könnte: Fürchtet er sich davor, der Wächterin keine gute Geschichte zu präsentieren und keinen Platz im Jenseits zu bekommen? Will er vielleicht seine Enttäuschung darüber bewältigen, so früh gestorben zu sein? Und daran anschließend: Ist das Leben eines Menschen tatsächlich wertvoller, wenn er oder sie zu Lebzeiten erfolgreich war? Neben Bennys Motivation und Gefühlen lohnt sich dabei auch der Blick auf seine Beziehung zu anderen Figuren, allen voran zu seiner liebevoll-strengen Mutter. Auch sie hat als Musikerin keinen großen Durchbruch erlebt, sodass sie ihre Erfolgserwartungen auf den kleinen Benny projizierte. Mit den Schüler*innen lässt sich in Hinblick auf ihre eigenen Vorstellungen anschließend an Handlung und Figuren reflektieren: Stehen Kinder in der Pflicht, den Erwartungen ihrer Eltern nachzukommen? Und worauf kommt es ihrer Meinung nach an, um das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten?
Für Benny zählt schließlich seine eigene Geschichte, die er mithilfe des wilden Hunds für die Wächterin des Jenseits verfasst. Im Spiel haben die Schüler*innen die Möglichkeit, seine Formulierungen – und damit die Reflexion über sein Leben – teilweise zu beeinflussen: War das Nachbarsmädchen Chloe seine beste Freundin oder seine erste Liebe? War Benny ein einsames oder ein glückliches Kind? In einer Umwälzung kann mit den Schüler*innen hieran reflektiert werden, inwiefern ihre Biographie auch dadurch geprägt ist, welche Entscheidungen sie für ihre eigene Geschichte treffen. Schließlich können sie mit Blick auf ihr eigenes Leben nachdenken, welche Momente ihnen besonders wichtig sind, und diese beispielsweise in einem Zeitstrahl mithilfe von Bildern und Zeichnungen festhalten.