The Secret of Retropolis
- Publisher: Peanut Button
- Veröffentlichungsjahr: 2021
- Plattform: Meta Quest-Reihe, Windows (VR)
- Geeignet für: Ab Klasse 11
- Fachbezug: Englisch
Aus der Megastadt Retropolis sind die Menschen längst verschwunden – übrig sind nur noch die Roboter, die sie zurückgelassen haben. Eigentlich sollten sie die Menschen glorifizieren und die Erinnerung an sie für immer wachhalten, doch stattdessen haben sie lediglich all ihre schlechten Eigenschaften übernommen. Und so regieren jetzt Gier und Gewalt die Stadt… Mittendrin lebt der abgeklärte Roboter-Detektiv Philip Log. Auch er hat schon bessere Zeiten gesehen: Auf seinem Schreibtisch sammeln sich unbezahlte Rechnungen, im Aschenbecher schraubenförmige Zigarettenstummel. Einst als aufstrebender Ermittler des Retropolis Police Department gestartet, nahm seine Karriere ein jähes Ende, als er den Geheimnissen der Machthaber*innen der Stadt zu nah kam – und sein treuer Partner dies mit dem Leben bezahlen musste. Bis er das Geheimnis um dessen mysteriösen Tod einmal lüftet, hangelt er sich von Auftrag zu Auftrag. Als die schöne Roboter-Schauspielerin und Sängerin Jenny Montage eines Tages sein Büro betritt, ändert sich jedoch alles. Sie bittet ihn um Hilfe, denn ihr Ehemann – der mächtige Senator Meric – hat vor, sie zu verkaufen. Hierfür hat Meric den blauen Saphirstein gestohlen, der Jennys elektronisches Innenleben mit Energie versorgt. Wenn Philip ihn nicht bald findet, wird Jenny abgeschaltet und kann von Meric verkauft werden. Eine Verfolgungsjagd durch die humorvolle und zugleich düstere Comicwelt von Retropolis beginnt, bei der Philip nicht nur den Saphirstein finden muss, sondern auch den Machenschaften der Unterwelt auf die Spur kommt. Als Philip ermitteln die Spieler*innen in retro-futuristischen Hochhausschluchten, sprechen mit den mechanischen Stadtbewohner*innen und bauen aus verschiedenen Objekten Werkzeuge, um Rätsel zu lösen. An zwielichtigen Orten tricksen sie Gangster aus und tauchen in die Geheimnisse der Schattenwelt ein. Können sie Philip helfen, den Saphirstein zu finden – und damit Jenny zu retten? |
Das für VR-Systeme entwickelte Point-and-Click-Adventure The Secret of Retropolis eignet sich aufgrund seiner Verbindung aus Science-Fiction und Elementen des amerikanischen Film Noir insbesondere für einen Einsatz im Englischunterricht der Oberstufe.
Die relativ kurze Dauer von ein bis zwei Stunden ermöglicht es, das Spiel innerhalb weniger Schulstunden zu spielen, sodass ein Einsatz als Ganzschrift denkbar ist. Besonders zielführend ist jedoch die Einbindung als literarische Ergänzung für sachbezogene Themenbereiche wie „Visions of the Future“ bzw. „Science and Technology“, in denen im Fokus steht, globale Zukunftstechnologien in Hinblick auf ethische Fragestellungen sowie ihre Bedeutung für Individuum und Gesellschaft zu reflektieren. So lässt sich The Secret of Retropolis als Dystopie begreifen, in der Roboter die Nachfahren einer ausgelöschten Menschheit ohne moralischen Kompass stellen. Dass sie mit ihrem Bewusstsein die Erinnerung an Menschen wachhalten, führt nicht dazu, dass sie rationale Entscheidungen treffen und in Frieden leben – das Gegenteil ist der Fall. Mit Schüler*innen kann Retropolis daher als kritischer Gegenentwurf zu optimistischen Technikvisionen für unsere Zukunft gedeutet werden. Anschlussfähig sind zum Beispiel Transferfragen zu moderner Technologie: Legen wir derzeit den Grundstein für ein reales Retropolis in unserer Welt? Oder: Wie viel Verantwortung sollten wir künstlicher Intelligenz in Zukunft übertragen? Wie fehleranfällig ist sie und welche Gefahren können von ihr ausgehen? Dystopische Zukunftsvisionen lassen sich aber auch kritisch reflektieren: Wie begründet ist die pessimistische Vorstellung von KI als potenzielle Gefahr für die Menschheit?
Im Zuge literarischer Reflexionsprozesse lässt sich anhand von The Secret of Retropolis mit Schüler*innen der allgemeine Wert dystopischer Erzählungen diskutieren. So kann besprochen werden, inwiefern sie einen Rahmen zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen und historischen Entwicklungen bieten und durch den Abgleich mit gesellschaftlichen Extremen aufzeigen, welche Werte uns wichtig sind. Hierfür bietet sich der Bezug zu den prägenden Dystopien der englischsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts an, wie zum Beispiel Aldous Huxleys Brave New World, George Orwells 1984 oder Ray Bradburys Fahrenheit 451. Aber auch ein Verweis auf die Vielzahl moderner Dystopien und ihrer filmischen bzw. Serienadaptionen lohnt sich, wie zum Beispiel Margaret Atwoods A Handmaid’s Tale oder Ridley Scotts Cyborg-Thriller Blade Runner, der auf der Romanvorlage Philip K. Dicks basiert. Mit den Schüler*innen kann darüber nachgedacht werden, inwiefern gesellschaftliche oder politische Entwicklungen zur aktuellen Popularität dystopischer Geschichten beitragen. Daneben lässt sich anhand von Retropolis auch die Ausprägung literarischen Wissens in Hinblick auf prototypische Merkmale des Genres fördern – wie zum Beispiel soziale Ungerechtigkeit, politisches Ungleichgewicht oder eine kritische Heldenfigur.
In Einheiten zur Filmanalyse lässt sich durch das Spiel der Blick auch auf Gestaltungselemente im Film ausweiten – denn The Secret of Retropolis bietet viele Ansätze zur Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Film Noir der 40er und 50er Jahre. So wird mit Philip Log ein für diese Gattung typischer Held eingeführt, der als heruntergekommener Privatdetektiv mit tragischer Hintergrundgeschichte und zynischer Weltsicht gleichzeitig auch als Erzähler fungiert. Jenny Montage zeigt typische Eigenschaften einer weiblichen Hauptfigur, die als Schönheit im Schattenmilieu und „damsel in distress“ ihrem machtbesessenen Ehemann entkommen will. Sogar ein Zitat aus Casablanca wird adaptiert, als Jenny Philips Büro betritt: “Of all the offices of all the private investigators in all of Retropolis… she had to walk into mine.” Auch viele weitere Verweise auf den Film Noir lassen sich ausmachen, die zur Ausprägung von Gattungswissen, aber auch zur Förderung von Kompetenzen in den Bereichen narratologisches und motivisches Verstehen genutzt werden können. So kann mit Schüler*innen die Erzählstruktur analysiert werden, die genretypisch durch Philips Flashbacks und seinen subjektiven Kommentar geprägt ist. Auch die oft an filmische Kameraeinstellungen erinnernde Perspektive kann dahingehend untersucht werden. Daneben kann die Auseinandersetzung mit dem Motiv der Großstadt lohnen – insbesondere durch einen Bezug auf den frühen Science-Fiction-Film Metropolis (1927) von Fritz Lang, der den Film Noir prägte.
Mit den Schüler*innen können anhand von Philip und Jenny insbesondere die klassischen Noir-Figurenmerkmale analysiert und im nächsten Schritt auch kritisch reflektiert und übertragen werden – beispielsweise in Hinblick auf die oft unterkomplexe Darstellung von Frauenfiguren in Kriminalfilm und Hollywood-Kino. Am Ende von The Secret of Retropolis werden die Spieler*innen durch einen Dialog zudem dazu aufgefordert, über die Beziehungsdynamik zwischen Philip und Jenny zu entscheiden: Nachdem Jenny ihr Gedächtnis verloren hat, kann Philip ihr freundlich gesonnen sein – oder sich als ihr Besitzer vorstellen und sie künftig ausbeuten. Die Schüler*innen können beide Optionen durchspielen und ihre Konsequenzen auf den Ebenen der Figurenkonstellation und Handlungslogik reflektieren, sodass entsprechende literarische Kompetenzen gefördert werden. Anschließend lässt sich beispielsweise im Rahmen einer handlungs- und produktionsorientierten Aufgabe eine Fortsetzung zur Entwicklung der beiden Figuren verfassen, um die Perspektivübernahme weiter zu fördern: Bleibt Philip auf seinen eigenen Vorteil bedacht? Oder wird sich sein Verhältnis zu Jenny zu einer Freundschaft oder Liebesbeziehung auf Augenhöhe entwickeln?
The Secret of Retropolis ist in englischer Sprachausgabe verfügbar, Untertitel können jedoch auf Deutsch und in vielen anderen Sprachen eingeblendet werden. In Hinblick auf den Anforderungsgrad ist ein Einsatz in niedrigeren Klassenstufen zwar denkbar, erfordert jedoch sowohl wegen der herausforderungsreichen Themenwelt des Film Noir sowie wegen der teils unkritischen Darstellung von Gewalt durch angedeutete Schlägereien, Alkoholismus, Glücksspiel und Rauchen erhöhte Reflexionsbereitschaft.