Tick Tock: A Tale For Two
- Publisher: OtherTalesInteractive
- Veröffentlichungsjahr: 2019
- Plattform: Android, iOS, MacOS, Windows, Switch
- Altersfreigabe: Keine USK-Einstufung
- Geeignet für: Ab Klasse 8
- Fachbezug: Literaturunterricht
Man weiß nie, wieviel Zeit einem noch bleibt. Doch was wäre, wenn man sich immer mehr Zeit verschaffen könnte?
Zwei mysteriöse Pakete, zwei seltsame alte Taschenuhren und ein dunkles Geheimnis, das alles verbindet: Das ist alles, was die Spielenden zu Beginn von Tick Tock: A Tale for Two vorfinden. Die Betonung liegt dabei auf Spielenden, denn nur gemeinsam kann es in diesem kooperativen Puzzle-Adventure gelingen, die Rätsel um die junge Uhrmacherin Amalie Ravn und ihre vermisste Schwester Lærke zu lösen.
In dem vom skandinavischen Märchen Des Kaisers Nachtigall (Hans Christian Andersen) inspirierten Spiel erkundet man in insgesamt drei Kapiteln immer wieder dieselbe Kleinstadt zu drei verschiedenen Zeitpunkten. Durch Briefe, alte Zeitungsartikel und Radioübertragungen sammeln die Spieler*innen Hinweise zu den Ereignissen rund um die beiden Schwestern, wobei Kooperation stets der Schlüssel zum Sieg ist; denn nur durch den gegenseitigen Austausch von Hinweisen kann es gelingen, Stück für Stück Licht ins Dunkel zu bringen. Doch je tiefer man schürft, desto finsterer und merkwürdiger werden die Geschehnisse um die Familie Ravn. Verschwundene Haustiere, verschlossene Türen sowie kryptische Bücher und Texte über seltsame Experimente, die Amalie durchzuführen scheint, bilden dabei nur den Anfang. Mit jedem Brief an die Schwester scheint die Uhrmacherin besessener von ihren Ideen zu werden und bereit zu sein immer größere Opfer dafür zu bringen. Doch was hat es mit diesen Ideen auf sich? Was ist diese „Zeitextraktion“, von der sie so euphorisch berichtet? Was haben diese mit Lærkes Verschwinden zu tun? Lebt sie noch? Und wie weit kann man nachforschen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?
Tick Tock: A Tale for Two vereint in seiner liebevoll gezeichneten Welt eine düstere Geschichte, kreatives Rätsellösen und kooperatives Handeln. Die Spielenden sind auf die Beschreibungen und das Mitdenken der/des jeweils Anderen angewiesen, wodurch die Bedeutsamkeit gemeinsamen Arbeitens betont wird, wie man es nicht viel eleganter hätte machen können. Durch seine vielfältigen Lernpotenziale eignet sich das Spiel hervorragend für den Einsatz im Literaturunterricht von der 8. Klasse bis in die gymnasiale Oberstufe hinein.
Das Spiel setzt sich aus zwei verschiedenen Perspektiven zusammen, welche den Sichtweisen der zwei Schwestern Amalie und Lærke entsprechen und damit die Ausprägung des Figurenverstehens befördert. Da auf konkrete Beschreibungen der beiden Figuren, sowohl bezüglich ihres Erscheinungsbildes als auch ihrer Eigenschaften, vollständig verzichtet wird, werden die Protagonistinnen nur indirekt charakterisiert. Durch Briefe werden die Gefühle und Motivationen von Amalie und Lærke jedoch immer wieder zum Ausdruck gebracht, was eine Figurenanalyse sowie Perspektivübernahme auf hohem Niveau ermöglicht.
Da die Spielende auf ihrem eigenen Bildschirm stets nur die Perspektive einer der Schwestern sehen können, werden den Spielenden kommunikative Strategien zum Lösen der Rätsel abverlangt und so trainiert. Kommunikationsstrategien müssen erprobt und verbessert sowie das Vorstellungsvermögen ausgebaut werden, um das Gesagte der/des Anderen nachvollziehen und entsprechend gut umsetzen zu können. Denn nur durch genaues Beschreiben des Gesehenen, geschicktes Nachfragen sowie der Rezeption dessen, was einem die Partnerin/der Partner erklärt, können sich die Spielenden gegenseitig ihre Perspektiven verständlich machen. Tick Tock: A Tale for Two startet mit einem moderaten Schwierigkeitsgrad der Rätsel und ermöglicht dadurch, in Kombination mit einer intuitiven und unkomplizierten Steuerung, auch Neulingen im Bereich der Puzzle-Adventures einen guten Einstieg in das Genre.
Des Weiteren bietet Tick Tock: A Tale for Two auch eine gute Grundlage zur Förderung des handlungslogischen Verstehens bei Schüler*innen. Während gemeinsam ein Rätsel nach dem anderen angegangen und gemeistert wird, offenbart das Spiel nämlich immer wieder ein neues, kleines Stück der Geschichte. Dabei muss oft ein bisschen um die Ecke gedacht werden: Erklärungen müssen in dem Kontext der Figur, die etwas sagt oder erfährt, richtig gedeutet und verstanden werden, die richtige zeitliche Einordnung in das Netz der Geschehnisse muss erfolgen und Verknüpfungen zwischen Handlungsmotivationen und den daraus resultierenden Ereignissen müssen geschaffen werden.
Inhaltlich zieht sich dabei das Thema Zeit wie ein roter Faden durch die Geschichte und das Leben der zwei Schwestern, wobei die Bedeutung von Symbolen in einer Geschichte sowie das Übertragen einer Thematik auf eine Metaebene erarbeitet und analysiert werden können. Ob es darum geht zu welcher Zeit man welches Gebäude betreten darf, wie man als Spielende*r die Zeit im Spiel manipulieren kann oder sogar wie die eigene Zeit, die man in das Spielen dieses Adventures investiert, in Verbindung zu Amalies und Lærkes Leben steht: Hier kennt das Spiel keine Grenzen.
Zuletzt können im Vergleich zwischen dem Videospiel und Andersens Originalmärchen Aspekte von Intermedialität herausgearbeitet werden. Hierzu sei gesagt, dass das Spiel lediglich von dem Märchen inspiriert ist und keine Nacherzählung oder Neuinterpretation dessen in einem anderen Medium darstellen soll oder will. D
ennoch lassen sich einige Parallelen, wie beispielsweise die Vogelsymbolik (Rabe/Nachtigall), finden und Einblicke in die Entstehungsgeschichte und die Grundidee des märchenhaften Adventure-Games gewinnen.
Tick Tock: A Tale for Two umfasst eine Spielzeit von etwa 3 Stunden und bietet mit 13 verfügbaren Sprachen eine ganze Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten und Potenzialen für den Literaturunterricht unterschiedlicher Sprachfächer mit sich. Zu beachten ist trotzdem, dass sich Spielende an einigen der Rätsel, je nach Denk- und Herangehensweise, verzetteln können, weshalb ein externes Unterstützungssystem mit zusätzlichen Hinweisen oder dem Aufzeigen des nächsten Schritts für den schulischen Einsatz hilfreich sein kann. Denn schließlich tickt auch im Unterricht, ähnlich wie bei Tick Tock, die Uhr unermüdlich weiter…