„Where am I? Is this the right place?“

Mit diesen Worten lernen die Spielenden Dr. Suniva Appleby, eine ausgezeichnete Kosmologin, kennen und werden direkt zu Beginn von Before I Forget mit den ständigen Begleitern der in London lebenden Inderin konfrontiert: Hilflosigkeit, Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit – ausgelöst durch ihre Demenz.

In der First-Person-Perspektive steuert man nun Suniva durch eine farblose und bedrückend wirkende Wohnung, welche sich durch das Finden von persönlichen Gegenständen, Bildern und Notizen schon bald als ihr Zuhause und das ihres Mannes Dylan herausstellt. Dabei bringt jedes gefundene Objekt, jeder Brief und jeder Geruch eine Erinnerung Sunivas zurück – und damit auch die Farben in ihrem Leben. Auf der Suche nach Antworten darauf, warum sie überall Notizen in ihrer Wohnung findet, wer die unbekannte Frau vom Pflegedienst auf dem Anrufbeantworter ist und allem voran der Frage danach, wo Dylan ist, versucht man Suniva zu helfen, die Puzzleteile, die ihre Vergangenheit darstellen, zusammenzusetzen. Doch selbst die einfachsten Tätigkeiten des Alltags, wie der Gang zur Toilette, werden zu einer nicht bewältigbaren Aufgabe, wenn man sich nicht erinnern kann, welche Tür zum Badezimmer führt. So steuern die Spielenden die Protagonistin in ihrer Orientierungslosigkeit durch eine Wohnung, in der die Türen sie immer wieder an einen anderen Ort bringen als den, den man zu erreichen versucht – und mit jeder Minute wachsen Verzweiflung und Panik.

Durch ausdrucksstarke und detailreiche Grafiken, die von klassischer Musik untermalt werden, erlangen die Spielenden auf eine gut zugängliche, sowie immersive Art und Weise den Einblick in eine Situation, von welcher man nur hoffen kann, dass man sie nie selbst erleben wird. Die Gefühle, die eine solche Situation mit sich bringen kann, schafft Before I Forget in gerade einmal einer Stunde Spielzeit zu erzeugen. Doch die Wirkungen davon lassen einen so schnell nicht wieder los…

Before I Forget ist ein sehr ergreifendes und emotional mitreißendes Spiel zum Thema Demenenzerkrankung. Die Spielenden bekommen die Auswirkungen, die die Krankheit mit sich bringen kann, nicht neutral präsentiert, sondern werden direkt in die Rolle einer unter Demenz leidenden Person versetzt. Durch das Spielen in der First-Person-Perspektive bekommt man das Gefühl vermittelt, die Verzweiflung und Angst der Protagonistin selbst zu erfahren; der geschickte Spielaufbau lässt den Spielenden die Probleme Sunivas nicht mit logischem Denken lösen. Mehrfach bekommt man in dem Spiel keine Möglichkeit, sich in der eigentlich überschaubar großen Wohnung zu orientieren, Türen, welche eben noch das Badezimmer geöffnet haben, enden plötzlich im Wandschrank und mit der Panik von Suniva steigt auch die Hilflosigkeit der Spielenden.

Das Spiel wurde in Zusammenarbeit mit zwei medizinischen Experten entwickelt, um eine möglichst akkurate Darstellung des Gefühls einer Demenz und der damit einhergehenden Wirkung auf die Spielenden zu erzeugen. Viele typische Phänomene einer Demenzerkrankung lassen sich in dem Spiel wiederfinden, wie Sunivas Fähigkeit sich noch sehr gut und genau an Ereignisse zu erinnern, welche vor dem Eintreten ihrer Krankheit stattgefunden haben. In dieser Authentizität des Spiels befindet sich viel Potenzial, denn hierdurch lassen sich soziale Kompetenzen, wie das Hineinversetzen in andere Personen oder der Nachvollzug von Gefühlswelt und Verhalten, fördern. Mit Hilfe von einfachen, jedoch sehr machtvollen grafischen Effekten wie den Farben, die durch Sunivas Erinnerungen zurück in die Wohnung gebracht werden und die die kalte, drückende Stimmung kurzzeitig erträglicher machen, wird es möglich, mit Suniva mitzufühlen. Ergänzt wird dies noch durch die zahlreichen Details aus Sunivas Leben und Vergangenheit, die im ganzen Spiel zu finden sind, sowie die bereits genannte, geschickte Struktur im Aufbau des Spiels, welche die Gefühle der Protagonist in den Spielenden widerspiegeln lassen. Das kann einen näher an das Thema bringen als man möchte, doch genau das macht die Spielerfahrung so intensiv und nachhaltig wirkend.

Before I Forget behandelt ein schwieriges Thema, welches auf eine eindrucksvolle Weise dargestellt wird und bedarf deshalb eine überdachte Einbettung in Schule und Unterricht, sowie einen ausführlichen und intensiven Austausch im Anschluss an das Spielen, in welchem das Erlebte reflektiert und besprochen werden kann.

Das Spiel ist ausschließlich in englischer Sprachausgabe verfügbar, bringt jedoch deutsche Untertitel mit sich.