- Jahr: 2016
- Entwicklerstudio: Osmotic Studios
- Plattform: Windows, Mac, Linux
- Geeignet für: Ab Klassenstufe 9
- Fachbezug: Ethik, Sozialkunde, Politik
Im Staat „The Nation“ wurde ein neuartiges Überwachungssystem mit dem treffenden Namen Orwell implementiert. Mit diesem System können Informationen über Verdächtige gesucht und gespeichert werden, es werden soziale Netzwerke, Unternehmenswebseiten und private Chatverläufe überwacht und Telefonate abgehört.
Im gleichnamigen Spiel Orwell wurde der Spielende ausgewählt, dieses Programm zu bedienen und so zum Spion zu werden. Dass die Tätigkeit in erster Linie Arbeit ist, macht das Spiel auch direkt zu Beginn klar, indem es den Spielenden eine Art Einverständniserklärung akzeptieren lässt, mit der sich der Spielende zu objektiver Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen sowie zur Einhaltung von Gesetzen verpflichtet. Die Spielenden haben die Aufgabe, die Informationen, die das System ausgibt, zu überprüfen. Dabei können sie Informationen als unwichtig kennzeichnen oder sich bewusst dazu entscheiden, Erkenntnisse nicht an die Vorgesetzten weiterzuleiten.
Den Ausgang der Handlung bildet dabei ein Bombenanschlag auf einem belebten Platz inmitten der Hauptstadt. Schnell rückt die Künstlerin Cassandra Watergate, die auf den Überwachungsaufnahmen zu sehen und bereits für den Angriff auf einen Polizisten bekannt ist, ins Visier der Ermittlungen. Binnen weniger Minuten werden soziale Netzwerke nach Informationen durchsucht sowie Freunde und Familie identifiziert und unter die Lupe genommen. Mit wenigen Klicks entsteht so ein Profil der Verdächtigen, das auch ganz private Informationen über Finanzen und gesundheitliche Probleme beinhaltet.
Für die Spielenden zeigt sich schnell, dass der Anschlag nicht so einfach aufgeklärt werden kann. Immer mehr Personen rücken ins Licht der Ereignisse und es entsteht ein komplexes Beziehungsgeflecht. Aber: Sind diese Personen wirklich Terroristen?
Orwell regt in herausragender Weise zur Reflexion über Möglichkeiten der Überwachung im digitalen Zeitalter an. Informationen, die die Verdächtigen im Netz hinterlassen, werden lückenlos aufgespürt und ausgewertet. Dabei rückt zunächst die Frage nach der Legitimität staatlicher Überwachungsmaßnahmen in den Vordergrund: Wie weit kann ein Staat gehen, um die Sicherheit der Bürger zu gewähren? Welche Eingriffe in die Privatsphäre sind wir bereit, hinzunehmen?
Gleichzeitig kann auch das Medienverhalten der Schülerinnen und Schüler betrachtet werden, die nicht selten auch private Informationen sorglos im Internet teilen.
In den Fächern Sozialkunde/Politik bietet Orwell eine Gesprächsgrundlage über staatliches Handeln und Überwachung: Was bedeutet es, in einem Polizeistaat zu leben, der jeden Schritt seiner Bürger erfasst? Für das Fach Ethik bietet sich die Möglichkeit an, das Handeln der Spielenden zu betrachten und nach einem Ausgleich zwischen dem intendierten Zweck der Handlungen, in diesem Fall der Aufklärung eines terroristischen Anschlags, und den dafür erlaubten Mitteln zu fragen.
Dabei eignet sich das Spiel besonders durch seine intuitive Bedienung, die keine lange Einarbeitungsphase benötigt. Auch die eigentliche Spieloberfläche ist schnell verstanden und leicht zu navigieren. Das Tutorial ist gut in die Spielhandlung eingebettet und ermöglicht einen nahtlosen Übergang in das eigentliche Geschehen. Demotivierend kann allerdings die sehr umfangreiche Textmenge sein. Auch wenn wesentliche Informationen hervorgehoben sind und sich die Spielenden auf diese fokussieren können, bleibt viel zu lesen. Dabei wird durch die Hervorhebungen die Unterscheidung zwischen Wichtigem und Unwichtigem erleichtert. Besonders interessant ist Orwell, wenn widersprüchliche Informationen auftauchen und der Spielende eine Entscheidung darüber treffen muss, welcher Information er größeren Glauben schenkt und damit weitergibt: Aus jemandem, der den Staat unterstützt kann so schnell jemand werden, der einen Umsturz plant und umgekehrt.
Insgesamt gelingt dem Spiel ein Ausgleich zwischen Komplexität und Einfachheit, dabei ermöglicht die leichte und entspannte Bedienung die Entfaltung einer spannenden Geschichte, die einen nicht zuletzt dazu motiviert, immer weiter im Leben der Verdächtigen zu spionieren und den Terroranschlag aufzuklären.