- Entwicklerstudio: Dontnod Entertainment
- Veröffentlichungsjahr: 2018
- Plattform: Windows, Playstation, Xbox
- Altersfreigabe: USK 16
- Geeignet für: Ab Klasse 10
- Fachbezug: Deutsch, Englisch
Superkräfte, Helden und der Kampf gegen das Böse – eine von diesen Dingen beherrschte Welt schafft sich der zehnjährige Junge Chris, um in der Superheldenrolle von „Captain Spirit“ Schurken wie „Mantroid“ und den „Snowmancer“ zu bekämpfen. Doch so gefährlich diese Welt auch erscheinen mag, die Realität, der er sich darin entzieht, ist noch viel furchterregender…
Chris lebt mit seinem Vater Charles Eriksen im ruhigen und ländlichen Beaver Creek, Oregon. Doch seit dem tragischen Verlust ihrer geliebten Mutter und Ehefrau, die bei einem Autounfall starb, hat sich das Leben der Eriksens stark verändert. Während Charles am Boden zahlloser Bier- und Whiskyflaschen die Kraft dazu sucht, seinem Sohn nicht die Schuld am Tod seine Ehefrau zu geben, die an eben jenem Tag in das Auto stieg, um ihn abzuholen, vernachlässigt er immer mehr die elterlichen Pflichten, mit denen er nun ganz allein dasteht. Mit jedem Tag verliert der im Herzen eigentlich sehr liebevolle Vater mehr und mehr seine Selbstkontrolle und beginnt schließlich im Rausche des Alkohols Dinge zu sagen und zu tun, die er später sehr bereut. Chris hingegen flieht vor der Trauer über seine Mutter und den Sorgen über seinen Vater in die Welt seines Alter Egos „Captain Spirit“, ein Superheld, der mit Hilfe seiner Kräfte Freunde in Not rettet und jedes Problem aus der Welt schafft. Doch kann Captain Spirit auch Chris retten?
Die kostenfreie und in etwa drei bis vier Stunden durchspielbare Kurzgeschichte zu Captain Spirits Abenteuern erzählt eine vielschichtige Geschichte, welche zunächst sehr fantasievoll und bunt erscheint, bald aber schon eine düstere Wendung nimmt. Dabei wird der Fiktionalitätsaspekt in diesem Spiel auf eine ganz besondere Art und Weise aufgegriffen, indem die fiktiven Abenteuer von Captain Spirit in das Alltagsleben von Chris eingebettet werden und man somit das aus literarischer Sicht faszinierende Ergebnis einer Geschichte in einer Geschichte erhält. Dies lässt nicht nur die Grenzen von Fiktionalität und Realität verschwimmen, sondern liefert zusätzlich einen spannenden Einblick in die Fiktionswahrnehmung von Kindern. Somit bietet das Spiel eine einzigartige Form, Fiktionalität auf verschiedenen Ebenen zu betrachten, wodurch es sich hervorragend im deutsch-, sowie englischsprachigen Literaturunterricht der höheren Klassenstufen (9. Klasse – gymnasiale Oberstufe) einsetzen lässt. Dabei werden beispielsweise Vergleiche zwischen den sehr kindlichen Fiktionsvorstellungen von Chris, in Form von Schurken wie dem „Snowmancer“, und der deutlich realitätsnäheren, wenn auch immer noch fiktiven, Vater-Sohn Beziehung zwischen Charles und Chris beobachtbar.
Die Einordnung des Spiels im Adventure-Genre eröffnet des weiteren Möglichkeiten zum narrativen Handlungsverstehen von Literatur, da Spielende dort häufig vor die Frage des nächsten Schrittes gestellt werden und der damit verbundenen Frage nach dem Grund für das Handeln und Entscheidungsfinden von Figuren nachgehen. Die realitätsnahen und emotionsgeladenen Charaktere der Geschichte bieten großes Potenzial, verschiedene Figurenperspektiven zu übernehmen und zu reflektieren. Da die Spielenden Chris durch seine Geschichte steuern und somit zum direkten Empfänger für die Gefühle und Emotionen des Vaters werden, kann man sich einer persönlichen Involviertheit fast nicht entziehen. Während das für das Verstehen von Aspekten des Literaturunterrichts zwar von großem Vorteil sein kann, müssen jedoch auch mögliche damit einhergehende Risiken erwähnt werden, die dies mit sich bringen kann: Wenn auch auf explizite Gewaltdarstellungen verzichtet wird, thematisiert das Spiel Gewalt im häuslichen Kontext, sowohl physischer, als auch psychischer Art. Dies ist neben den Darstellungen von exzessivem Alkoholkonsum und dem Gebrauch von Kraftausdrücken auch Grund für die USK Freigabe ab 16 und sollte vor dem Einsatz des Spiels in einer Klasse bedacht und gegebenenfalls vorab kommuniziert werden. Durch einen reflektierten Umgang kann das Spiel jedoch auch genutzt werden, um mit älteren Schüler*innen dieses sensible Thema im schulischen Kontext zu behandeln.
The Awesome Adventures of Captain Spirit ist ausschließlich in englischer Sprachausgabe erschienen, verfügt jedoch über eine gute Übersetzung in Form von deutschsprachigen Untertiteln.