- Jahr: 2012
- Entwicklerstudio: The Chinese Room, Robert Briscoe
- Plattform: Windows, macOS, Playstation, Xbox
- Geeignet für: Ab Klasse 9
- Fachbezug: Literaturunterricht, Deutsch, Englisch
Eine geheimnisvolle, verlassene Insel; abstrakte Zeichnungen und kryptische Aufschriften an schroffen Felswänden; bruchstückhafte Auszüge aus Briefen, die von vergangenen Ereignissen erzählen – und das pulsierende rote Leuchten eines Sendemasts auf einem Berggipfel…
Dear Esther ist von Anfang an vor allem eines: rätselhaft. Im Lauf des betont ruhigen und gemächlichen Spielverlaufs durchwandern die Spielenden – frei von durch das Spiel vorgegebenen Zielen – eine von Meer umgebene fiktive Insel, während eine Erzählerstimme Bruchstücke aus Briefen an eine Person namens Esther vorträgt. Diese in englischer Sprache vorgetragenen und durch Untertitel begleiteten Abschnitte erzählen Bruchstücke verschiedener Geschichten, die der Erfahrung und dem Wissensschatz des unbekannten Verfassers zu entstammen scheinen. Welche Bestandteile der Geschichten die Spielenden hören, entscheidet dabei von Kapitel zu Kapitel der Zufall, sodass sich praktisch jeder Spieldurchlauf auf narrativer Ebene vom vorherigen unterscheidet und die Spieler*innen mal zu Beginn der Geschichte und mal mittendrin wichtige Hinweise darauf erhalten, was mit Esther geschehen ist.
Dear Esther eignet sich aufgrund der im Spiel erzählten mysteriösen Geschichte insbesondere für den Einsatz im Deutsch- bzw. Literatur- sowie Englischunterricht.
Durch die unkonventionelle, experimentelle Erzählweise des Spiels müssen Spielende bei der Rezeption komplexe Prozesse des Sprachverstehens und der Sinnbildung vollziehen, womit Dear Esther vor allem hinsichtlich der Vermittlung sprachlicher und literarischer Kompetenzen ab der neunten Klasse anschlussfähig ist. Die Spielenden müssen etwa die ihnen gegebenen Teile der gelesenen Briefe in einen sinnhaften Zusammenhang bringen, da sie aufgrund deren zufälligen Auswahl innerhalb der einzelnen Kapitel niemals vollständig vorliegen. Hierdurch wird sowohl das Verstehen narrativer Handlungslogik als auch das Verstehen literarischer Figuren beim Spielen auf hohem Niveau geschult. Zudem ist die Sprache des Spiels geprägt von zahlreichen Symbolen und Metaphern. Was bedeutet es etwa, wenn der Erzähler sich als „listless wreck without identification“ bezeichnet? Oder was meint er, wenn er sagt: „I am travelling through my own body“? Die Interpretation dieser und vieler weiterer sprachlicher Stilmittel ist zum Verständnis der vermittelten Narration erforderlich, fördert damit aber gleichzeitig die Kompetenz der Lernenden im Umgang mit ihnen.
Auch hinsichtlich literarischer Anschlusskommunikation bietet Dear Esther Lernpotenziale, da jeder individuelle Spieldurchlauf anders verläuft und den Spielenden unterschiedliche Bruchstücke der gleichen Narration vermittelt. In Zwischen- oder Anschlussgesprächen können diese untereinander abgeglichen, diskutiert und so zu einer umfassenderen Sinnbildung genutzt werden. Zudem lässt sich anhand dessen die Beschaffenheit, Wirkung und Funktionsweise narrativer Strukturen reflektieren, etwa indem die Auswirkung fehlender oder zusätzlicher Bestandteile der Geschichte auf deren Verständnis untersucht wird.