- Entwicklerstudio: Deck Nine
- Veröffentlichungsjahr: 2021
- Plattform: Windows, Nintendo Switch, Play Station, Xbox
- Altersfreigabe: USK 12
- Geeignet für: Ab Klasse 7
- Fachbezug: Literaturunterricht (Englisch, Deutsch), Psychologie
- Thema: Emotionen
“I’m a creep. I’m a weirdo. What the hell am I doing here? I don’t belong here…” – Radiohead
Mit diesen Worten und der traurigen Melodie einer akustischen Gitarre verleiht die 24-jährige Alex Chen ihren Gefühlen des „Nicht-Dazugehörens“ Ausdruck. Auf der Suche nach einer Konstanten in ihrem zerrütteten Leben, die ihr etwas Halt geben kann, kehrt sie nach acht Jahren der Trennung zu ihrem großen Bruder Gabe zurück. Dieser lebt im friedlichen Haven Springs, Colorado, wo Alex auch genau das findet, was ihr so lange gefehlt hat: Einen Ort, an den sie gehört, mit Menschen, denen sie etwas bedeutet. Sie wird mit offenen Armen aufgenommen, beginnt in der lokalen Kneipe zu kellnern und zum ersten Mal in ihrem Leben scheint alles so zu laufen, wie es soll – bis zu Gabes Tod.
Um diesen zu verarbeiten, versucht die hoch sensible Alex Erklärungen für die Hintergründe des Erdrutsches zu finden, der ihr ihren gerade zurückgewonnen Bruder genommen hat, und bringt dabei in vielen Bewohnern der Kleinstadt die unterschiedlichsten Emotionen zum Vorschein. Während sie immer wieder Gefahr läuft, von diesen Gefühlen überwältigt und erdrückt zu werden, lernt sie ihre extreme Form der Empathie auch für sich zu nutzen, um Menschen um sich herum zu helfen, sie zu beeinflussen oder um mehr über sie und ihre Vergangenheit zu erfahren. Dabei bleibt die Frage stets bestehen, ob ein so großes Maß an Mitgefühl noch ein Segen oder schon fast eher ein Fluch ist und wo noch Platz für Alex‘ eigene Gefühle bleibt. Doch schon bald hat sie ganz neue Sorgen, als sie auf ein dunkles Geheimnis stößt, das sie tief in die Mienenschächte von Haven Springs führt. Dort beginnt sie zu verstehen, dass der Tod ihres Bruders nur ein kleines Puzzleteil in einer alten Geschichte voller Täuschungen, Verrat und Lügen ist und es Leute gibt, die bereit sind, alles dafür zu tun, dieses Geheimnis auf ewig in den Minen zu begraben…
Life is Strange: True Colors erzählt eine authentische und lebensnahe Geschichte, die sich, wie bereits andere Geschichten der Spielereihe (The Awesome Adventures of Captain Spirit, Tell Me Why, Life is Strange) hervorragend im deutsch- und englischsprachigen Literaturunterricht der Sekundarstufe einsetzen lässt. Dabei bringt das Spiel, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, über das Lesen und Mitfühlen fremder Emotionen, wieder eine neue Spielmechanik sowie ein neues Schwerpunktthema mit sich. Die Fähigkeiten der Protagonistin Alex erinnern dabei weniger an eine Superkraft als mehr an eine besonders starke Ausprägung des physiopsychologischen Phänomens der Hochsensibilität. Dieses bietet, neben des spannenden Einblicks in die spezielle Figurenperspektive einer emotional sensiblen Person, einen kreativen Ansatz, Inhalte der Literaturwissenschaften und der Psychologie (Fremdwahrnehmung, Empathie, Gefühle) miteinander zu verknüpfen und sich vertiefend mit diesen auseinanderzusetzen.
Neben der Perspektivübernahme lässt sich außerdem die narrative Handlungslogik der Geschichte thematisieren. Im Laufe des Spiels wird man immer wieder vor Entscheidungen gestellt, die den Verlauf der Geschichte beeinflussen und die Beziehungen der Protagonistin zu den anderen Personen, sowie deren Gefühle verändern können. Während einige der großen Entscheidungen die Spielenden direkt vor die Auswahl verschiedener Handlungsmöglichkeiten stellen, welche das Überdenken der eigenen Handlungen und Entscheidungen nahelegen, laufen andere Entscheidungen versteckt im Hintergrund ab. So kann ein Tanz mit einem alten Mann diesen in nostalgische Erinnerungen an seine geliebte, verstorbene Frau schwelgen lassen oder ein lieb gemeintes Wort zu jemandem einen Dritten Neid und Selbstzweifel empfinden lassen. Solche Entscheidungen können besonders gut im Anschluss an eine Spielphase im literarischen Gespräch durch den Vergleich unterschiedlicher Vorgehensweisen und den daraus resultierenden Konsequenzen erkannt und reflektiert werden. Im Rückschluss können Sinnzusammenhänge zwischen den Taten und Folgen identifiziert und besprochen werden und dadurch vielleicht sogar ein reflektierteres Handeln bei Schüler*innen im eigenen Leben angeregt werden.